WALDHEIMS WALZER – FILMKRITIK
Gegen das Vergessen
Der Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“ erinnert an den ehemaligen UN-Generalsekretär und prangert den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der österreichischen Gesellschaft an. Ein wichtiger Film, der zugleich Wut und Mut macht.
„Man kann alle Leute eine Zeit lang an der Nase herumführen und einige Leute die ganze Zeit, aber nicht alle Leute die ganze Zeit.“ Mit diesem Zitat von Abraham Lincoln beginnt der Film. 93 Minuten später weiß jeder, dass Regisseurin Ruth Beckermann perfekt passende Worte gewählt hat, um eine kaum fassbare Geschichte von Selbstverleugnung und Lügen einzuleiten. Es geht um Kurt Waldheim, der nach zehn Jahren als UN-Generalsekretär, seine politische Karriere, mit dem Amt des Bundespräsidenten krönen will.
Während des drei monatigen Wahlkampfs im Jahr 1986 konfrontiert ihn der jüdische Weltkongress mit Vorwürfen, er verheimliche Teile seiner Vergangenheit. Es tauchen Unterlagen von NS-Organisationen auf, in denen der passionierte Pferdeliebhaber eingetragen ist. Waldheim bestreitet das und meint Verwandte hätten das irrtümlich und „ohne sein Wissen“ vorgenommen. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Fred Sinowatz, prägt daraufhin den für die Causa Waldheim so treffenden Satz: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass er nicht bei der SA war, sondern nur sein Pferd bei der SA gewesen ist.“
Mit der Zeit tauchen allerdings immer weitere Dokumente auf, die beweisen, dass Waldheim mehrmals gelogen und NS-Verstrickungen verschwiegen hat. Sein Standard-Satz „Ich war anständig“ erscheint im neuen Licht. Erschreckend ist seine Selbstleugnung und die Opfer-Mentalität als Täter. Sie wirkt dabei geradezu ansteckend auf seine Unterstützer. So dokumentiert der Film, wie sich die Mehrheit eines ganzen Landes um das Lügengebäude eines Politikers mit Erinnerungslücken schart.
Der Film überzeugt dabei mit der ausnahmslosen Verwendung von historischen Bildern. TV-Archivmaterial, Ausschnitte aus Pressekonferenzen des jüdischen Weltkongresses, Bilder der Debatten in der UN-Generalversammlung und von Anhörungen im US-Kongress sind auf packende Weise ineinander verschachtelt. Besonders gelungen ist Ruth Beckermann das verweben ihrer eigenen Vergangenheit als protestierende Waldheim-Gegnerin von damals mit der gezeigten Geschichte. Ein wichtiger, wutmachender Film, der darstellt, wie wichtig es ist, historischer Ignoranz zu widerstehen. Passend zur aktuellen politischen Lage.