ZENTRALFLUGHAFEN THF – FILMKRITIK

Beidseitig des Zauns

 

Nur ein Zaun trennt die Flüchtlinge von den Joggern auf dem Tempelhofer Feld, doch es liegen Welten dazwischen. Für seine Dokumentation Zentralflughafen THF hat der Regisseur Karim Aïnouz ein Jahr lang in der Flüchtlingsunterkunft in Tempelhof gedreht, um das trostlose, oft perspektivlose Leben in den Hangars zu zeigen.

 

Erste Einstellung. Eine Gruppe Touristen wird durch die Räume des ehemaligen Zentralflughafens geführt. Wenig später genießen sie von der Dachterrasse den tollen Blick über das Flugfeld. Es ist Sommer, ganz Berlin scheint aufzublühen. Radfahrer, Jogger und Skater bevölkern zur warmen Jahreszeit das Gelände. Schnitt. Gleiches Gebäude, völlig andere Szenerie. Zu sehen ist ein trostloser Raum mit ein paar Holzbänken. Ein Flüchtling bekommt Informationen über Tempelhof – die Flüchtlingsunterkunft, nicht die Touristenattraktion.

In den Jahren 2016 und 2017 waren in den Hangars des stillgelegten Flughafens mehr als zweitausend Menschen untergebracht. Was eine Notunterkunft für wenige Wochen sein sollte, wurde für viele zu einem Zuhause für mehr als ein Jahr. Der Film kommt den Geflüchteten sehr nahe. Der 19 Jahre alte Ibrahim erzählt von seinen Hoffnungen, seiner Verunsicherung, seinem Heimweh und den Versuchen, sein Leben in dieser Wartesituation zu gestalten. Denn zwischen Impfterminen, Verpflegung und Amtsbesuchen liegt oft nur gähnende Leere. Zugleich schaut der Film auf das Draußen, das Tempelhofer Feld, und registriert, wie es sich mit den Jahreszeiten verändert.

 

 

So ist es der Flughafen selbst, der als Protagonist in diesem Film die grundverschiedenen Sehnsüchte von Geflüchteten, Touristen und Berlinern nebeneinanderstellt. Man teilt sich das gleiche Gelände, egal auf welcher Seite des Zauns man steht. Aus dieser Konstellation ergeben sich die komplexen Kontraste des Films: zwischen dem monumentalen Bauwerk und der bunten Freizeitfläche, die es umringt. Zwischen den schützenden Mechanismen der deutschen Bürokratie und der Freiheit, die sie auch den Geflüchteten nicht ermöglichen kann.