ONLINE-CASINO LIVESTREAMS – KOMMENTAR
Der König der Hirntoten
Die Spielothek hat schon immer ein zwielichtiges Image und ist für mich ein Ort der Bildungsfernen. Nun muss man nicht mal einen Fuß in die abgedunkelten Hallen setzen, um glücksspielabhängige Gestalten beim drehen der Slot-Maschinen zu sehen. Seit Jahren kann man auf Twitch und YouTube zusehen, wie Streamer in Onlinekasinos an einem Abend zehntausende Euro verspielen. Der Staat schaut zu, so wie Millionen Zuschauer. Was soll man von Videos halten, deren humoristischer Höhepunkt es ist, wenn der Streamer vor lauter Schreikrämpfen den Bezug zum Geld verloren hat?
Mit dem Geld hast du als Spieler traditionell so deine Probleme. Meistens ist es halt weg und wenn du nicht gewinnst, gewinnt die Bank. Aber viel schwieriger, als Geld in Casinos zu gewinnen, ist erst einmal das Spielprinzip einer Slot Maschine zu verstehen.
Der Mann mit der Krone, ist übrigens Jens Knossalla, kurz Knossi. Der YouTube-Kanal des selbsternannten Königs besteht zum Großteil aus Zusammenschnitten seiner Casino Streams und hat über eine halbe Millionen Abonnenten. Eine halbe Million Menschen, die sich das freiwillig ansehen.
Gerade Kinder und Jugendliche sind durch Werbung leicht beeinflussbar und damit aus Sicht der Industrie eine interessante Zielgruppe.
Auffallend ist neben dem infantilen Charakter des Herrn Knossi, auch die kindlich bunten Animation der Slot-Maschine. Die wird garantiert nicht nur solch bunte Bildchen haben, damit Jens Knossalla weiß, wann er seinen Zuschauern das Trommelfell aus den Ohren schreien kann.
Es ist nicht auszuschließen, dass bei solchen Hasard-Sendungen auch Kinder zuschauen. Der Glücksspielforscher Dr. Tobias Hayer von der Universität Bremen sagt: „Gerade Kinder und Jugendliche sind durch Werbung leicht beeinflussbar und damit aus Sicht der Industrie eine interessante Zielgruppe. Daneben erkennen wir im Glückspielbereich, dass gewisse Spielangebote wie klassische Slot Machines bei den jüngeren Generationen nicht mehr so beliebt sind. Entsprechend bedarf es innovativer Geschäftsideen, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern.“
Es läuft also nicht mehr so geil im Glücksspiel-Game und deshalb hat man sich etwas ausgedacht: Eltern denken, ihre Kinder schauen sich vor dem Einschlafen lustige Fortnite-Videos an, dabei wird auf vielen größten deutschsprachigen Twitch-Kanälen ab 22 Uhr im Onlinekasino an den Einarmigen Banditen gedreht. Auf Plattformen, die die Glücksspielindustrie entwickelt hat, um ihren alten unseriösen Geschäftsmodellen ein freshes, neues und unschuldiges Image zu verpassen.
Klar machen die Streamer vor ihrem Programmwechsel darauf aufmerksam, dass die Sendung ab 22 Uhr nicht ganz Jugendfrei ist. Aber solche Altersbeschränkungen – das wissen alle Eltern und das wissen alle, die Kinder kennen – das ist ein todsicherer Weg, Kindern von Dingen fernzuhalten, für die sie noch nicht alt genug sind. Und das ganze ist vollkommen legal, solange nicht direkt Werbung für das Onlinekasino gemacht wird. Es ist ja bloß Internet da brauch man keinen Jugendschutz und solange die Kids nicht selber zocken ist alles gut.
Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaasvertrag GlüStV)
§5 Werbung
(2) Sie darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Irreführende Werbung für öffentliches Glücksspiel, insbesondere solche, die unzutreffende Aussagen über die Gewinnchancen oder Art und Höhe der Gewinne enthalten, ist verboten.
(3) Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im Fernsehen (§7 des Rundfunkvertrages), im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten.
Werbung für Glücksspiel bei den größten deutschen Streamern, ohne gesetzlichen Jugendschutz und völlig legal. Ist das nicht toll? Wer könnte eigentlich dagegen etwas machen? Wer könnte diese Dauerwerbesendungen einschränken? Richtig! Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die gibt es und die währe zuständig. Die könnten checken, ob Casino-Streams für Jugendliche gefährlich sind. Denn ohne Jugendliche würden die Livestreams bei weiten nicht so viele Aufrufe generieren wie jetzt und dann würden sich Creator wie Knossi vielleicht auch mal die Frage stellen, ob sich die ganze Sache überhaupt lohnt. Der Antrag an die Bundesprüfstelle muss allerdings direkt von Ämtern oder von Bildungseinrichtungen kommen. Also wird das alles noch eine ganze Weile so weitergehen, wie bisher. Aber hey: Für alle Suchtberater und Ohrenärzte können das richtig gute Jahre werden, wenn es im Casino schon nicht läuft.