DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI, BERTOLT BRECHT – THEATERKRITIK

Mit dem hochaktuellen Brecht-Klassiker bringt Regisseur Malte Kreutzfeldt in Cottbus ein Theaterstück auf die Bühne, das als atmosphärischer Thriller im Gewand eines Gangsterfilms der 30er Jahre daherkommt. Eine gemeisterte Herausforderung, dass mit viel Beifall im Großen Haus des Staatstheaters gefeiert wurde.

 

Wirtschaftskrise in Chicago. Die Geschäftsleute finden keinen Absatz mehr für Blumenkohl (Karfiol) und anderes Gemüse. Verzweifelt suchen sie nach Auswegen aus der Misere. Da erscheint mit Arturo Ui eine Person auf der politischen Spielfläche, deren Weg tief unten in der Bronx begann und deren Markenzeichen ein faszinierendes Charisma, ein Revolver, sowie eine Truppe harter Jungs sind. Er weiß die Ängste der anderen für eigene Ziele zu nutzen, agiert mit subtilen Taktiken der Verführung, mit offener Bedrohung und blutiger Gewaltausübung. Ui schafft sich Rückhalt im Karfiolgewerbe, erpresst Schutzgelder von kleinen Gemüsehändlern, manipuliert die Justiz und schaltet Widersacher radikal aus. Ein Diktator ist geboren, dem sich keiner mehr in den Weg stellen soll. Wie kann man Arturo Ui‘s Aufstieg aufhalten? Und wie ist es mit Widerstand bestellt in einer Gesellschaft, in der die Eigeninteressen im Vordergrund stehen? Die Antwort ist ein Spiel aus Geheimnissen und Intrigen, zwischen Licht und Schatten. Was auf einem Kohlfeld seinen Anfang nahm, endet in einer wilden Schießerei.

Bertolt Brecht begann im finnischen Exil 1941 mit der Arbeit an diesem „Gangsterspektakel“, das erst nach seinem Tod uraufgeführt wurde. War das Stück für ihn eine satirische Bearbeitung des Aufstiegs Hitlers, wird es mit Blick auf willkürlich und diktatorisch agierende Politiker unserer Gegenwart geradezu eine hochaktuelle, pointierte, politische Farce.

 

 

Regisseur Malte Kreutzfeldt hat Brechts Lehrstück ganz ohne erhobenen Zeigefinger, dafür aber sehr aktionsreich mit viel Ballerei und mit starken Bildern unterhaltsam in Szene gesetzt. Vor allem aber lebt dieser Abend durch die Schauspielkunst eines großartigen Ensembles, aus dem Sigrun Fischer als Arturo Ui hervorsticht. Eine Rolle, in der sie die ganze Fülle ihrer darstellerischen Möglichkeiten zeigen kann. Ihr Ui ist nicht der eindimensionale, skrupellose Machtmensch. Sie zeigt ebenso seine zweifelnde, schwache Seite, wie er von Wahnvorstellungen gepeinigt dem Zusammenbruch nahe ist. Es gelingt ihr, die Gefährlichkeit dieses Menschen nicht nur aus seiner Stärke, sondern auch aus seiner Schwäche darzustellen.

Das Ui eine Frau ist, ergibt Sinn, weil es weg führt vom Blick aufs Historische, auf Hitler, hin zum Allgemeinen, zum Verallgemeinerbaren. Denn 60 Jahre nach der Uraufführung, hat das Stück nichts an seiner Brisanz verloren. In einer Zeit zunehmenden Populismus‘ und in Verbindung zu den letzten Schlagzeilen aus Cottbus, bietet die Inszenierung viele Assoziationen. So dass die Zuschauer Ansätze zum Mitdenken bekommen – zum Nachdenken über das Hier und Heute. Es ist sehenswertes Theater, besonders für Brecht-Liebhaber, das am Ende bejubelt wurde.

 

„Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt‘ einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert –
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“