COTTBUS – CREATIVE WRITING

 

Wenn man in Cottbus aus dem Zug steigt und die mit Taubenkot verdreckten Stufen runter in die Bahnhofsunterführung läuft, zeigt ein höhnisches Schild nach links in die City. Man taucht ein in einen Strom unglücklicher Menschen, deren Gesichter so grau sind wie der in der Luft schwebende Zementstaub, und die an nichts mehr im Leben glauben als an Funktionskleidung von Northface.

In der entkernten Bahnhofshalle gibt es kein einziges Geschäft, nur verkleidete Bauzäune und 6 Imbissbuden. Auf den Zäunen stand eine Weile Achtung, krebserregende Stoffe, Baustelle nicht betreten. Das muss den Cottbusern Angst gemacht haben, deswegen hat man die Bauzäune umgedreht, und nur, wenn man ganz genau schaut, entlarvt sich der Asbestbahnhof in Spiegelschrift.

Alles hier ist Baustelle, so eine richtige Bahnhofsbaustelle mit aufgerissenen Böden und überquellenden Containern, aber in Cottbus stört das keinen. Im Grunde sind alle froh, dass der Bahnhof jetzt in Schutt und Asche liegt und keine Geschäfte mehr hat, denn so denkt der Besucher zwar „Boah, hässlich“ aber dann auch gleich: „Naja, die bauen halt gerade“. Die Wahrheit ist, dass der Bahnhof vorher schon hässlich war und auch nie schön werden wird. Aber das ist das kleine, dreckige Stadtgeheimnis der Cottbuser, das bewahren sie und auch sonst kann es keiner verraten, weil niemand zwei Mal in diese Stadt kommt. Diese Baustelle ist für immer – eine höfliche, ostdeutsche Geste an Besucher, eine Empfehlung, jetzt sofort umzudrehen und nicht zurück zu blicken. Die Lausitzer sind absurd ehrlich, der Bahnhof ist genauso tot wie der Rest der Stadt, es soll zwei drei schöne Ecken in Cottbus geben, aber so weit ist noch nie ein Besucher gekommen, er wurde vorher von einem Bahnhofspenner in den Bauch geboxt, der eigentlich Student ist und von der Stadt dafür bezahlt wird. In seiner Wodkaflasche ist eigentlich nur Wasser.

Es gibt nicht einmal eine blaue Tafel mit Abfahrtszeiten, nach der letzten Volkszählung wurde Cottbus der Großstadtstatus entzogen, man fürchtet weitere Abtrünnige, lässt die Flüchtigen nicht ziehen, außer es sind Flüchtlinge. Selbst schuld, wer hier aussteigt, wollte eigentlich nach Berlin oder Dresden und muss sich verfahren haben. Wer sich hierher verirrt muss warten und auf den Zug ins Exil hoffen, denn sonst bleibt man hier, wird Unidozent und / oder unglücklich auf Lebenszeit.

Am schönsten ist Cottbus vom Zug aus, ein bisschen wie Afrika in den Nachrichten, man guckt kurz, eine heiße Welle von Mitleid, dann lehnt man sich in die IC-Polster und während die Stadt im grauen Rauch des Jähnschwalder Kohlekraftwerks verschwindet, denkt man daran, wie gut man es hat und dass die hohen Mieten in Neukölln und Kreuzberg doch irgendwo berechtigt sind.